„Vom Stürzen und Fliegen“ - ein Holzbildhauer begibt sich auf die Spuren des Ikarus

Ausstellung von Thomas Hildenbrand am 25.7.2021 beim Kunstverein Neckar-Odenwald e.V.

Goldene Akzente und Jünglinge aus Lindenholz erzählen in der Mosbacher-Sommer-Ausstellung vom Stürzen und Fliegen. Hildebrands Werke spannen durchaus einem Spagat zwischen Gotik und Pop.

Vorsitzender Harald Kielmann vom Kunstverein Neckar-Odenwald e.V. begrüßte zur Vernissage eine große Zahl von Gästen, darunter zahlreiche Künstler aus dem Landkreis. Bei bestem Wetter führte Kuratorin Ulrike Thiele vor dem Ausstellungsgebäude „Altes Schlachthaus“  ein Künstlergespräch, um Leben und Werk des in Mosbach aufgewachsenen und jetzt in Ilshofen/Hohenlohe  wohnenden Künstlers in möglichst vielen Facetten abzubilden. 

Bereits mit 17 Jahren besuchte er die Holzbildhauerschule in Oberammergau. Im Anschluss arbeitete er als Restaurator am Landesmuseum Stuttgart, absolvierte aber auch “drei Wanderjahre durch Europa“. Neugierig machte Kielmann in seiner Begrüßung durch den Hinweis – „der Künstler hat zwei Seiten – wahrscheinlich noch viel mehr“, da er auch als Restaurator zwischen Barock und Gegenwart zu pendeln gewohnt ist. Vom Entstehungs-und dem Aufbauprozess der Holzfiguren in der Werkstatt bis zum Aufbau in Mosbach reichte die weite Themenskala des Künstlergesprächs. 

Wo kommt eine Figur hin?  Diese Frage habe man zumindest bei der größten Figur im Raum – mit dem Titel „Der Menschensturz“ – schnell lösen können. Sie drängte sich geradezu an ihren Platz. Dabei erklärte Hildenbrand eine Besonderheit des Werks: „Die Lebensgröße ist etwas Neues.“ Bereits das Verkleinern der Figur stellt für ihn eine Art der Abstraktion dar. 

Die alte Künstlerweisheit, nach der in jedem Porträt ein Selbstporträt mitschwinge, konkretisierte er zudem. Denn als Modell für all die im Ausstellungsraum gezeigten Figuren diente er selbst: „Es steckt viel von mir drin. Es funktioniert wie ein Spiegel. Ich konzentriere mich nach innen, um mich selbst zu fühlen“.  So erklärte er auch die Abwesenheit von weiblichen Wesen im Kosmos der jungen Männer, die gerne eine blaue Hose tragen und eher schmal und überlängt denn muskulös-kompakt in die Welt treten oder fliegen, schweben oder stürzen. Dazu Hildenbrand: „ Warum mach ich nur Männer?  Ich werde oft darauf angesprochen. Es ist eine sehr emotionale und körperliche Arbeit an einer Figur. Bei einer weiblichen Figur käme Erotik ins Spiel.“ Immerhin diagnostizierte Ulrike Thiele „ein leichte, schwebende Erotik in seinen Werken“. Seine Werke strahlen eine Leichtigkeit aus, sind gleichzeitig kraftvoll, wirken aber auch sehr fragil auf den Betrachter. 

Dass aber Hildenbrands Gekreuzigter bei seiner Erstpräsentation 2018 in Quebec bei vielen Betrachtern als „provokant bis allzu freizügig“ gewertet wurde, das erstaunt in unseren Breiten dann doch sehr. Hildebrand vermutet, es läge daran, dass in Kanada die Kunst erst im 19. Jahrhundert beginne und folgerichtig Riemenschneider und Co. Völlig unbekannt seien. 

Vom Barock hat der Bildhauer auch den „Trick“ mit der Assemblage-Technik abgeschaut. Denn nicht nur der Jesus trat seine Heimreise in die Alte Welt zerstückelt in einem Koffer  an. In seiner Werkstatt gebe es zahlreiche Einzelteile, Gliedmaßen und Torsos, die dann bei Passender Gelegenheit zu einem Ganzen gefügt und kombiniert werden. Auch die beiden blauen Vögel gehörten einst als schwarze Raben zu einer Gruppe Dutzender Artgenossen, die einen vier Meter hohen Baum bevölkerten. 

Mittlerweile reduziert der Künstler zudem die Farbigkeit, konzentriert sich stärker auf die Maserung des Lindenholzes. Nur das Nachtblau für die Sockel behält er bei, es ist zu so etwas wie seinem Markenzeichen geworden. Viele Figuren werden mit einem Rahmen präsentiert. Diese Rahmen geben den Figuren einen Raum